Kollektivgedächtnis

Daniel N. Chodowiecki, „Eine Schulmeisterstube“, 1791. Ein Lehrer erläutert unwissenden Kindern den Sündenfall als Beginn der menschheitlichen Unheilsgeschichte. Im Hintergrund bekämpft der Erzengel Michael den Teufel in Drachengestalt und stößt ihn hinab auf die Erde. (Quelle: Herzog Anton Ulrich-Museum, CC BY-NC-ND 4.0)

Mythos Modernität? Die Schulreformen der Aufklärung als Teil historischer Meistererzählungen

Benedikt Stimmer

Den großen Schulreformen des ausgehenden 18. Jahrhunderts kommt im öffentlichen Bewusstsein der meisten europäischen Länder ein besonderer Stellenwert zu. Einführung der Schulpflicht, Bildung einer Bürgergesellschaft, Durchsetzung säkularer Staatlichkeit, Schaffung der Nation: Die Topoi erscheinen vielfach austauschbar; zugleich lassen sie die Erziehungsanstrengungen der Aufklärung rückblickend geradezu als Beginn der Moderne erscheinen. Aber lässt sich dieses Bild heute noch aufrechterhalten?

Aufnahme am Sinai (Quelle: pixabay)

Historische Fakten und religiöse Identität, oder: von den zwei Wahrheiten

Gerhard Langer

Das Judentum basiert maßgeblich auf der Überlieferung eines Manns, dessen wahre Identität im Dunkeln bleibt. Das Christentum geht weit weniger auf einen historischen Jesus, als auf findige Interpreten seiner Botschaft zurück, und der Islam wurde von einem Propheten begründet, dessen Leben von vielen Mythen umrankt ist. Wie lässt sich damit umgehen, wenn historische Fakten der religiösen Überlieferung zum Teil entgegenstehen? 

Der Severertondo (Temperamalerei auf Holz; Berlin, Ägyptisches Museum) bietet eine Frontalansicht der Kaiserfamilie in prachtvollem Ornat: Septimius Severus mit seiner Gattin Iulia Domna sowie ihre beiden Söhne Caracalla und Geta. Getas Porträt wurde nach dessen Ermordung geschwärzt, allerdings nicht mit Farbe, sondern mit Exkrementen, was dem Eingriff eher den Charakter einer symbolischen Schändung als einer Löschung verlieh. (Quelle: wikimedia commons)

„Cancel culture“ im antiken Rom: Manipulation und Desorientierung

Fritz Mitthof

Im antiken Rom wurde eine besonders radikale Form der Gedächtnispolitik praktiziert: Es existierte eine spezielle Strafform, die sogenannte damnatio memoriae, welche ein striktes Verbot von Bildnissen und namentlichen Erwähnungen geächteter Personen im öffentlichen Raum vorsah. Dabei kam es allerdings aufgrund diverser Umstände immer wieder zu Unklarheiten und Irrtümern.