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Folgenschwere Falschgeldaffäre oder Fake News? Drucke des späten 15. Jahrhunderts berichten von Falschmünzerei

Agnes Aspetsberger

14.12.2022

Ende des 15. Jahrhunderts verbreiten sich im süddeutschen Raum Einblattdrucke, die heute als Falsche-Gulden-Blätter bekannt sind. Eindringlich werden die Leser:innen vor gefälschten Goldgulden gewarnt, vor denen es sich in Acht zu nehmen gilt. 

Vorsicht, Geldfälscher am Werk!

Magdeburg im Jahr 1482: Der Drucker Bartholomäus Ghotan entscheidet sich für die Herstellung eines Flugblatts, das brisante Informationen enthält: Es soll Münzfälscherei in großem Stil betrieben worden sein. Vor den dabei hergestellten gefälschten Goldgulden gelte es sich zu hüten. Ganze vier Tonnen Gold seien ausgeprägt worden. Die angeblich hergestellten und verbreiteten Fälschungen werden auf dem Druck beschrieben und abgebildet. Gleichzeitig wird aber auch Entwarnung gegeben, denn die verantwortlichen Fälscher seien bereits gefasst und in Göttingen mit dem Tod auf dem Scheiterhaufen bestraft worden. 

Nicht nur in Magdeburg werden Einblattdrucke mit diesen Informationen verbreitet; neun weitere Drucker fertigen ebenfalls Flugblätter an, die von den Vorfällen in Göttingen berichten und vor den gefälschten Münzen warnen. Heute sind insgesamt zehn verschiedene Drucker bekannt, die diese Blätter – in der Literatur als Falsche-Gulden-Blätter oder Zeichen der falschen Gulden zu finden – hergestellt haben. Die Erzeugungsorte konzentrieren sich vor allem im süddeutschen Raum (Augsburg, Basel, Magdeburg, München, Nürnberg, Reutlingen, Ulm). Die Texte der verschiedenen Drucke ähneln einander dabei stark; in einigen Passagen ist der Wortlaut sogar ident. Die Falsche-Gulden-Blätter haben sich wohl nicht nur von Leser zu Leserin, sondern auch von Drucker zu Drucker verbreitet und dienten in der nächsten Werkstatt als Vorlage. 

Abb. 1Falsche-Gulden-Blatt, Bartholomäus Ghotan, Magdeburg (Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin – PK, Inc 1456,5), Satzspiegel 197 x 125 mm; Druck mit beweglichen Lettern, Abbildungen erzeugt durch Holzschnitt. 

Als Datierungshinweis für die Drucke dienen uns zwei Falsche-Gulden-Blätter, die 1482 als Jahr der Bekanntmachung nennen, darunter auch jenes aus Magdeburg. Daran orientiert sich auch die zeitliche Einordnung aller anderen Drucke, die keine Jahresangabe tragen. Aufgrund ihres Entstehungszeitraums werden die Blätter den Inkunabeln – auch Wiegendrucke genannt – zugeordnet. Dazu zählen alle Drucke, die zwischen der Fertigstellung der Gutenberg-Bibel 1454 und dem Jahr 1500 im Druck mit beweglichen Lettern entstanden sind. Die Hersteller der Falsche-Gulden-Blätter geben sich auf ihren Werken zwar nicht namentlich zu erkennen, aber man kann die Blätter über die Drucktype – sozusagen die verwendete Schriftart – den Druckern zuweisen.

Die Drucker gestalten ihre Falsche-Gulden-Blätter unterschiedlich. Manche entscheiden sich für weniger Text, manche für mehr. Einer bildet die gefälschten Gulden besonders sauber ab, der nächste legt nicht so viel Wert darauf oder entscheidet sich sogar gänzlich gegen Abbildungen. Doch eines haben alle diese Drucke gemein: Sie beschreiben immer die Fälschungen der gleichen fünf Münztypen.

Die „Zeichen der falschen Gulden“

Bei den Münzen, die als Vorlagen für die Falsche-Gulden-Blätter gedient haben, handelt es sich um Goldgulden des Erzbistums Mainz, der Stadt Lüneburg, der Stadt Hamburg, des Erzbistums Köln und der Reichsmünzstätte Frankfurt. Die fraglichen Münztypen wurden in den Jahren 1425–1468 geprägt. 

Abb. 2: Die falschen Gulden und ihre Vorbilder: 1. Reihe: Erzbistum Mainz, Stadt Lüneburg, Stadt Hamburg; 2. Reihe: Erzbistum Köln, Reichsmünzstätte Frankfurt (Quellen der Münzbilder: Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin [Mainz: Objektnr. 18206190, Köln: Objektnr. 18253435]; Fritz Rudolf Künker GmbH & Co. KG [Hamburg: Auktion 176, Los 5002; Frankfurt: Auktion 336, Los 6523]; Emporium Hamburg [Lüneburg: Emporium Hamburg, Auktion 69, Los 1456]).

Die Leser:innen werden auf den Drucken von den angeblich umlaufenden Fälschungen in Kenntnis gesetzt. Doch wie konnte man sich nun vor ihnen schützen? Auch hier bieten die Falsche-Gulden-Blätter Unterstützung. Bereits im ersten Satz des Drucks von Bartholomäus Ghotan scheint die Lösung zu stecken: „Hyr sind zcu merken die zceychen der falschen gulden…“ Offenbar sind die gefälschten Goldgulden durch bestimmte Merkmale, die „Zeichen der falschen Gulden“, von den Originalen zu unterscheiden. Diese Zeichen werden auf den Drucken erklärt und (meistens) abgebildet: Ein „W“ über dem Mainzer Wappen soll die Fälschung nach Mainzer Vorbild zu erkennen geben, und anhand eines Sterns auf der Brust des Heiligen Petrus (Stadt Hamburg) kann der falsche Gulden auch hier enttarnt werden. Ein „B“ neben dem Kopf des Erzbischofs auf der Fälschung nach Kölner Schlag und ein Kreuz zwischen den Beinen Johannes des Täufers (Reichsmünzstätte Frankfurt) markieren zwei weitere gefälschte Münztypen. Lediglich für die Fälschung nach Lüneburger Vorbild wird kein besonderes Zeichen genannt.

Spätestens hier sollte man als Leser:in der Falsche-Gulden-Blätter hellhörig werden. Sollte es nicht Ziel einer Fälschung sein, dem Original zum Verwechseln ähnlich zu sehen, um im Geldumlauf nicht aufzufliegen? Warum also Zeichen an den Fälschungen anbringen, die auf den originalen Goldgulden nicht existieren? 

Abb. 3: Die „Zeichen der falschen Gulden“ (v. l. n. r.): Erzbistum Mainz, Stadt Hamburg, Erzbistum Köln, Reichsmünzstätte Frankfurt (Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin – PK, Inc 1456,5).

Falsche Münzen, falsches Gold

Zur Herstellung von Münzfälschungen kommen die verschiedensten Techniken zum Einsatz. Von Prägungen mit minderwertigen Legierungen über Gussfälschungen bis hin zu modernen Hilfsmitteln wie 3D-Druckern ist mittlerweile fast alles möglich. Die Falsche-Gulden-Blätter verraten uns, welche Methode damals zum Einsatz gekommen sein soll: Es handle sich um gefütterte Münzen, sogenannte Subaerate (lat. sub = unter; aes = Kupfer). Bei dieser Methode besteht der Kern der Münze aus Kupfer, ummantelt von einer dünnen Edelmetallschicht, in diesem Fall Gold. So spart der Fälscher einen Großteil des Edelmetalls. Solange niemand misstrauisch wurde und mit einem tiefen Hieb ins Innere der Münze blickte, konnte die Täuschung unerkannt bleiben. Die Idee der gefütterten Münzen ist nicht neu; sie begleiten uns seit der Frühzeit der Münzprägung.

Abb. 4: Ein subaerater Goldquinar der Iulia Domna (ca. 196–206 n. Chr.) mit aufgeplatzter Goldschicht und eine Tetradrachme Alexanders III. (ca. 336–323 v. Chr.) mit Prüfhieb, der das Innere der Münze freilegt (Quelle der Münzbilder: Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin. Goldquinar: Objektnr. 18277509; Tetradrachme: Objektnr. 18250553).

Den Fälschern auf der Spur

Auf der Suche nach Geldverbrechen und Fälschern in der Zeit um 1482 stolpert man über einen Vorfall, der sich 1481 in Göttingen zugetragen hat. Aufgezeichnet von Franciscus Lubecus (1533–1595) in seinen „Göttinger Annalen“ von 1588, erfahren wir von einem Fälscher, der im Sommer 1481 aufgegriffen worden sei. Das hergestellte Falschgeld sei bereits „in allen landen“ in Umlauf gebracht worden. Sogar Herzog Wilhelm II. von Braunschweig-Lüneburg und Herr Heinrich von Hardenberg, Angehöriger eines niedersächsischen Adelsgeschlechts, sollen von den Machenschaften des Fälschers gewusst haben. Trotz dieser hochrangigen Mitwisser sei der Fälscher seiner Strafe jedoch nicht entkommen: Lubecus berichtet von dessen Tod am Scheiterhaufen am 10. November 1481. Die zeitlichen und örtlichen Angaben von Lubecus‘ Bericht stehen mit den Schilderungen auf den Falsche-Gulden-Blättern in Einklang und verleiten dazu, diese beiden Ereignisse gleichzusetzen. Allerdings lässt sich heute leider nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob in den „Göttinger Annalen und auf den Falsche-Gulden-Blättern von ein und demselben Kriminalfall berichtet wird.

Fake News?

Was ist also dran an den Schilderungen auf den Falsche-Gulden-Blättern? Hat die Falschgeldaffäre tatsächlich so stattgefunden, wie es uns die Einblattdrucke berichten? Existieren heute gefälschte Goldgulden, die den Beschreibungen auf den Drucken entsprechen? Die meisten dieser Fragen können wir aus heutiger Sicht nicht mehr zufriedenstellend beantworten. Gefälschte Goldgulden, die die „Zeichen der falschen Gulden“ tragen, können heute weder in Sammlungen noch im Münzhandel gefunden werden. Für das gesamte 15. Jahrhundert lassen sich lediglich zwei gefälschte Einzelstücke und ein 32 Stück umfassender Fund gefälschter Goldgulden – die Stücke bestehen aus Messing und wurden im Gussverfahren hergestellt – verzeichnen. Keine dieser Fälschungen entspricht den Münztypen, die auf den Falsche-Gulden-Blättern thematisiert werden.

Man muss nicht alles glauben, was man hört

Wer die Falsche-Gulden-Blätter als detailliertes Beweismaterial einer groß angelegten Falschgeldaffäre heranziehen möchte, wird leider enttäuscht, denn die Bedeutung der Drucke kann wohl als gering eingestuft werden. Die Falsche-Gulden-Blätter besitzen einen stark inoffiziellen Charakter: Es wird weder ein Empfängerkreis, noch ein Auftraggeber genannt, wie es bei Münzverrufen eigentlich üblich ist. Ein gutes Beispiel dafür bietet etwa ein Münzverruf aus dem Jahr 1505, in dem gleich in der ersten Zeile der Rat der Stadt Frankfurt („diser stat franckfurt“) als Auftraggeber der Bekanntmachung genannt wird. Ein offizielles Anschlagen der Falsche-Gulden-Blätter am Rathaus in München, wie es in den letzten Zeilen des Drucks von Bartholomäus Ghotan zu lesen ist, darf angezweifelt werden; auch in den Stadtratsprotokollen von München der Jahre 1459–1501 ist kein Hinweis auf eine Kundmachung dieser Art zu finden. 

HandzettelFlugblätter oder Merkzettel sind die häufigsten Bezeichnungen, die in der Literatur für die Falsche-Gulden-Blätter verwendet werden. Manche gehen sogar so weit, die Drucke als ein sich verbreitendes Gerücht anzusehen und sie „somit als eine Art von Vorstufe des illustrierten Sensationsflugblattes“[1] zu verstehen. Die Verbreitung geschah vermutlich von Drucker zu Drucker; einen Auftrag von offizieller Seite gab es nicht. Die Falsche-Gulden-Blätter wurden in Eigeninitiative produziert und unter die Leute gebracht. Es dürfte sich für die Drucker um ein lukratives Geschäft gehandelt haben. Aus alldem zu schließen, dass es zu dieser Zeit keine Probleme mit Falschgeld gab, wäre jedoch ein Irrtum. Die Münzfälschung ist – wie man gerne zu sagen pflegt – nur wenige Stunden jünger als die Idee der Münzprägung selbst und begleitet uns durch alle Zeiten. Die „Zeichen der falschen Gulden“ existieren jedoch nur auf dem Papier.

Lesetipps und weiterführende Links

Agnes Aspetsberger, Die Falsche-Gulden-Blätter von 1482, Masterarbeit Universität Wien, 2020. 

Falk Eisermann, Verzeichnis der typographischen Einblattdrucke des 15. Jahrhunderts im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation (VE15), Wiesbaden 2004. 

Die Falsche-Gulden-Blätter im Gesamtkatalog der Wiegendrucke online

Die Falsche-Gulden-Blätter in der Urkundendatenbank Monasterium

Zum Schmökern in den Beständen großer (und kleiner) Münzkabinette und Sammlungen des deutschsprachigen Raums: ikmk.net

Autorin

Agnes Aspetsberger absolvierte ihr Masterstudium am Institut für Numismatik und Geldgeschichte und ist derzeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Münzkabinett des Kunsthistorischen Museums Wien tätig.


[1] Falk Eisermann, Zeichen der falschen Gulden, in: Die Deutsche Literatur des Mittelalters Verfasserlexikon (VL2), Band 10, Berlin, Boston 2011, Spalte 1522.